Naumann, Margarethe (1881-1946)

28.01.1881 in Chemnitz geboren / Vater Jurist verstarb an Spätfolgen einer Kriegsverletzung bereits 1887

Sie lebte eine zeitlang mit ihrer mutter und Schwester eine Zeit lang in Bergen/Vogtl. auf einem Rittergut der Eltern der Mutter.

1890 Umzug nach Dresden

Lehre Schneiderin später Porzellanmalerin (Heimarbeit)

Ausbildung zur Zeichenlehrerin / hospitiert an der Kunststickschule des Frauenerwerbsvereins

nimmt Stunden in Aktzeichnen und Kunstgeschichte

1908 (mit 27 Jahren) Aufnahme Staatlichen Akademie für Kunstgewerbe Dresden (bei Max Frey und Erich Kleinhempel )

9-1913 Margaretenspitze erstmals im Künstlerhaus Dresden vorgestellt

1913 1. Ausstellungsbeteiligung „Die handwerkliche Papier-Gestaltungslehre“ Künstlerhaus Dresden.

1914 Ausstellung Kölner Werkbund des Deutschen Werkbundes / Kontakt zu Albert Forkel, Direktor der Staatlichen Kunstschule für Textilindustrie Plauen

ab Januar 1914 Lehrauftrag an der Textilschule in Plauen

1916 Ausstellung in Plauen / Patentanmeldung Margaretenspitze

1917 gegen den Widerstand Direktor Forkel nicht verlängert wurde

1918 Berufung in den Deutschen Werkbund

1918 Patent für ihre Margaretenspitze

9-1919 Werkbundtagung in Stuttgart – Kontakt mit Walter Gropius

1919 Ausstellungsbeteiligung in Weimar

1920 M. Naumann lehnt das Angebot (Gropius) die Leitung und Neuausrichtung der Textilabteilung des Bauhauses Weimar ab

1921 künstlerische Leiterin Abteilung für Textile Handwerkskunst Sachsen

01.07.1921-1925 erneut Lehrauftrag für das offizielle Fach „Margaretentechnik“ Textilschule in Plauen

27.05. - 05. 08.1925 Präsentation im Grassi-Museum Leipzig Arbeit der Kunstschule Plauen

3-1926 Ausstellung ihrer Arbeiten, Vorträge und Kurse in Magdeburg

8-1927 Lehrauftrag an der Kunstgewerbeschule Magdeburg

1929 Umzug nach Hannover zur Schwester mit Familie / freiberuflich tätig

1938 sie wurde zur Direktorin für die Klöppel-Fachschule Schneeberg vorgeschlagen / die Stelle bekam ein Mann

1943 ausgebombt / Manuskript zu ihrem Buch zur Gestaltungslehre geht verloren

01.04.1946 verstarb Margarete Naumann nach schweren Leiden in Hannover

1957 Agnes Gerlach veröffentlicht Aufzeichnungen über Leben und Werk

1966 Gedächtnisausstellung Frankfurter Messe

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Margarete_Naumann / Katalogreihe des Vogtlandmuseums Plauen Heft III / "Margaretenspitze" 1995 / Frank Weiß



Bilder 1-6 / Quelle: Katalogreihe des Vogtlandmuseums Plauen Heft III / "Margaretenspitze" 1995 / Frank Weiß / Fotos und Repro: Hilmar Raddatz, Albrecht Hartung / Gestaltung: Wolfgang Rahm

Wir haben uns bemüht alle Rechteinhaber ausfindig zu machen. Sollten trotz sorgfältiger Nachforschungen berechtigte Ansprüche weiterer Rechteinhaber bestehen, wird um Kontaktaufnahme gebeten.


Reformbestrebungen der deutschen Frauenkunst

Handarbeit auf textilem Gebiete.

Die neue Dresdener Margarethenspitze

Von Margarethe Naumann, Plauen.

Auf dem Gebiete der Frauenkunsthandarbeit finden wir heute überall in

maßgebenden Kreisen Reformbestrebungen, die umso bemerkenswerter sind, als man

in unsrem von Hetzen und Jagen erfüllten Leben glaubt, für Dinge, welche mühsam und durchdacht hergestellt sind, keine Zeit mehr zu haben. Durch nachdenkende Menschen, durch die Bemühungen des Heimatschutzbundes und des Werkbundes ist jedoch den Ursachen der Tatsache, dass die gediegene und schöne Frauenkunsthandarbeit noch so selten zu finden ist, besser auf den Grund geblickt und erkannt worden, dass unser Frauenfleiß nicht zurückgegangen ist, dass auch Zeit genug für Handarbeit aufgewendet wird, dass aber der allen Menschen angeborene, natürliche Schönheitssinn und die natürliche Gestaltungskraft und Phantasie zu Grunde gerichtet oder unentwickelt gelassen werden durch das moderne Leben mit seinem Hasten und Treiben, durch das Bazarwesen mit seinen Scheinwaren und durch die Ausverkaufssucht, die heute nur darauf hinzielt, den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Man fängt wieder an, sich darauf zu besinnen,

dass gerade der Deutsche von Haus aus diese Anlagen in hohem Maße besitzt und dass es an der Zeit ist, die von der Natur verliehenen Kräfte wieder ausnützen zu lernen. Obwohl sich bei der großen Masse der schlicht deutsche Wahrheitssinn, dem alles Scheinwesen zuwider ist, nicht all zu stark entwickelt vorfindet, gibt es genug denkende Männer und Frauen, die trotz aller Anfechtung brachliegende Kräfte wieder zur Betätigung zu bringen suchen, indem sie das Verständnis für Qualitätsarbeit im Gegensatz zur Begünstigung der Quantitätsarbeit bei den einzelnen zu entwickeln bestrebt sind. Alle textilen Dinge, die uns lieb und wert sind, mit denen wir uns und unsre Häuser schmücken, wie Brüsseler und Venezianische Spitzen, japanische Stickereien, orientalische Teppiche und anderes, sind aus Handfleiß und Volkskunst hervorgegangen, tragen unvergleichliche Reize und Werte in sich und werden gerade von dem Deutschen anstandslos hoch bezahlt und geschätzt, vorausgesetzt, dass sie nicht aus seinem eigenen Lande stammen; denn gerade da richtet er das Augenmerk mit Vorliebe auf billige Volkskunst, billiges Kunstgewerbe, billige Ware, obgleich er von anderen Völkern lernen könnte, dass nur alles Gediegene und Teuer-Rechte bleibenden Wert besitzt und auch den Weltmarkt bis zu einem gewissen Grad immer beherrschen wird. Gerade die Vorherrschaft der Maschine müsste für die Handbetätigung auf textilem Gebiete ein Ansporn sein, denn die Maschine nimmt der Hand alle zeitraubende mechanische Arbeit ab, lässt aber dadurch neue Kräfte und damit neue Gestaltungswerte frei werden, die vorher festgebunden lagen. Die Maschine stickt, webt, spinnt, wirkt, strickt mechanisch, sinnlos nach was man ihr vorlegt. Die Hand hingegen gehorcht als treue Dienerin unsren tiefsten Empfindungen, unsren feinsten Seelenregungen, unserem scharfen Verstand und der uns Deutschen in so reichem Maße angeborenen Phantasie. Diese Möglichkeit stellt einen unerschöpflichen Quell dar, aus dem jeder einzelne neue Werte für sich und die Gesamtheit zu schöpfen imstande ist; trotzdem bemüht sich die Mehrzahl unsrer deutschen Frauen, es in ihren Handarbeiten der Maschine gleich zu tun in gedankenloser mechanischer Nachahmung von Techniken, Gegenständen und Formen, die durch die maschinelle Herstellung bedingt sind. Von der Maschine angeregt, suchen sie mit möglichst geringem Zeitaufwand durch die Menge ihrer häftigen Arbeiten ihre Handgeschicklichkeit zu beweisen, und es ist unverständlich, dass einer denkenden Frau ihre Zeit nicht zu wertvoll, ihre feinfühlige Hand nicht zu schade, ihre Seele nicht zu stolz ist, Dinge zu arbeiten, die aus vielen Gründen jeder Daseinsberechtigung entbehren. Material, Technik, Werkzeug und Zweck müssen bei der deutschen Frau wieder zu richtiger Wertschätzung gelangen, ehe sie Anregung für ihre schöpferische Kraft daraus ziehen kann. —

Nachwort der Redaktion: Diese Reformbestrebungen finden wir nun bereits verwirklicht in einer Erfindung der Verfasserin, in der aufsehenerregenden, gediegenen Dresdener Margarethenspitze, die durch ihre lebensvolle Anmut und ihre buntfröhliche Ursprünglichkeit und Naivität zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Die Erfinderin, Fräulein Margarethe Naumann aus Dresden, ist jetzt in Plauen an der Kgl. Kunstschule für Textilindustrie als Lehrerin tätig.

Ihre Spitze bietet in ihrer neuen Technik den Vorzug einfachster Hilfsmittel. Sie wird nur mit der Hand und mit Stecknadeln, die die Fadengruppen auf den Kissen festhalten, ohne Hilfe von Nähnadel und Klöppel geknotet, gedreht und verflochten. Alle Formen erwachsen selbständig ohne jede Vorzeichnung aus den Fadengruppen. Jede Arbeiterin ist nach kurzer methodischer Schulung imstande, ihren angeborenen Kunsttrieb und ihre Phantasie frei zu betätigen; und es entstehen mühelos die entzückendsten, originellsten Formen, aus deren Fülle unsere Kunstbeilage einige wiedergibt: Das Motiv des ersten Bildes ist der Phantasie eines sechzehnjährigen Mädchens entsprungen, dessen schaffensfreudige Gestaltungskraft aus Fadengruppen ein äußerst reizvolles Idyll herausgearbeitet hat. Die Spitzenstudien des zweiten Bildes geben die Freude an der einfachen Reihung in lustigen Bäumchen wieder. — Es ist uns ein Vergnügen, in einer Zeit, die der Spitzenkunst des Vogtlandes nicht freundlich gesinnt ist, als erste auf eine neue, schöne, zukunftsreiche Spitze aufmerksam machen zu können. Freilich kommt sie zunächst nur für Leute in Betracht, die künstlerische Qualitäten ohne jeden geschäftlichen Nebengedanken zu würdigen wissen.

Quelle: Das Vogtland und seine Nachbargebiete / Febr.1914 (Hgb.P.Miller, K.A.Findeisen, G.Rösler)

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