Friedbert Ficker (1927-2007)

*05. September 1927 in Arnoldsgrün; † 10. Januar 2007 in Jena

 

Professor Dr. h.c mult. Friedbert Ficker

wirkte bis 1986 als Professor für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein Forschungsschwerpunkt war die Kunstgeschichte der Länder Südosteuropas. Er war Mitglied der Leibniz-Sozietät, Academia Scientiarum et Artium Europaea, der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und der Serbischen Akademie der Wissenschaften. wikipedia Die Sammlung Friedbert Ficker gehört seit 1996 den Kunstsammlungen Zwickau. Sie umfasst 10.000 Blätter zur Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts, die über Jahrzehnte hinweg zusammengetragen wurden (wikipedia)

Seit 1944 besuchte er die Kunstschule in Plauen und seit 1948 die Kunstgewerbeschule in Leipzig, wo er auch an der Universität Kunstgeschichte studierte. 1953 wurde Ficker in der DDR vom Hochschulstudium ausgeschlossen und ging 1957 in die Bundesrepublik Deutschland. Dort studierte er in München weiter, erlangte aber keinen Hochschulabschluss. In München hatte er unter anderem Lehraufträge an der Akademie für das Graphische Gewerbe, der Meisterschule für das deutsche Malerhandwerk sowie der Kunstakademie. 1966 erhielt er den Titel eines Fürstlich-Liechtensteinischen Professors.

Sein Forschungsschwerpunkt war die Kunstgeschichte der Länder Südosteuropas. Er war Mitglied der Leibniz-Sozietät, Academia Scientiarum et Artium Europaea, der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste.


von Professor Dr. h.c mult. Friedbert Ficker

Gefunden: VOGTLAND-PANORAMA / MONTAG, 24. FEBRUAR 2003

DIE PLAUENER KUNSTSCHULE UND WALTHER LÖBERING

Eine „künstlerische Bastion", die nicht ohne Wirkung blieb

PLAUEN - Als ich im Frühjahr 1944 auf Betreiben und mit der Vorsprache meines leider viel zu früh gefallenen Freundes Albert Gütter bei Walther Löbering wegen der möglichen Aufnahme in die Plauener Kunstschule erschien, erklärte mir dieser kurz und lapidar, ich sei bei ihm an der falschen Stelle, er habe in dieser Schule nichts zu sagen und somit auch keinen Einfluss auf meine Aufnahme. Diese Worte waren eine arge Ernüchterung, nachdem mir so viel über den geschätzten Lehrer und, wie mir heute scheint, bedeutendsten unter den vogtländischen Künstlern bekannt geworden war.

Großer Respekt

Zumindest mein großer Respekt wuchs damals vor dem Meister nach dem Betrachten einiger der herumstehenden Arbeiten. Anders dagegen die Leitung der Schule, die ihm offensichtlich mit

der nebenamtlichen Lehrtätigkeit in Kopf- und Aktzeichnen sowie in Kunstgeschichte eine Art Gnadenbrot zubilligte. Das war allein an der versteckten Lage seines Ateliers im Kellerbereich des geräumigen Gebäudekomplexes unschwer zu erkennen. Dem entsprach auch der als nebensächlich eingeschätzte Unterricht Löberings. Wohl konnte die Fähigkeit, einen Kopf anatomisch richtig und womöglich erkennbar auf das Papier beziehungsweise auf die Leinwand zu bringen, nicht schaden. Aber das erklärte Ausbildungsziel an der Staatlichen Fachschule für Textilindustrie war es nicht. Gegenüber diesem ausgesprochen künstlerisch betonten Bemühen gab man einer gehobeneren dilettierenden Blumen - und als erweiterten Ausgleich der Landschaftsdarstellung in Aquarell den Vorzug.

„Echte, wahre" Kunst

Dort erhoffte man sich über den eigentlichen Unterricht hinaus zusätzliche Impulse für die einseitig betriebene Ausbildung von Entwerfern und Zeichnern für die Textilindustrie. Als exemplarisches Beispiel für die verfolgte Richtung kann der damalige Leiter der Unterklasse Karl Schweitzer gelten. Ursprünglich selbst Textilzeichner, war er durch seinen Schwager, den verkrachten Textilkaufmann und späteren Gauleiter und Reichsstatthalter Martin Mutschmann nach 1933 an die Schule berufen worden. Um der Wahrheit willen wird man zwar sagen müssen, dass er um seine künstlerische Weiterbildung bemüht war und in Kurt Geipel und dessen Aquarelltechnik ein erstrebenswertes Vorbild sah. Aber dahinter steckte doch die Vorstellung des Spießers von' der „echten, wahren" Kunst, nachdem man die „Kunstbolschewisten" Hanusch, Lange und

Heckrott von ihren Lehrämtern vertrieben hatte. Walther Löbering pflegte in seiner nüchternen, aber treffenden Art vor den Blumenbildchen der neuen Richtung zu sagen, dort werde der lateinische Name der Blumen wiedergegeben.

Provinziell

Damit vollzog sich mit der Machtübernahme durch die Nazis im Jahre 1933 nach rund zehnjähriger erfolgreicher Tätigkeit ein Bruch, der die weit über Deutschland und Europa hinaus bekannte und geschätzte Schule zu einer provinziellen Ausbildungsstätte degradierte. Dabei war mit der 1923 erfolgten Berufung von Professor Karl Janusch als Direktor der Plauener Kunstschule durch den sächsischen Wirtschaftsminister Fellisch eine selten günstige Voraussetzung geschaffen worden, die nicht nur für die Kunstschule, sondern damit zugleich für die heimische Textilindustrie des Vogtlandes, Ostthüringens und Westsachsens von zukunftsweisender Bedeutung war.

Mit sicherem Blick

Mit dem sicheren Blick für die vor ihm liegenden Aufgaben und dem feinen Gespür für die zur Verwirklichung notwendigen Kräfte berief Hanusch die Maler Otto Lange, Wilhelm Heckrott und Johannes Avenarius und schuf damit die Voraussetzungen für eine künstlerisch-schöpferische Ausbildung, die weit über die bis dahin herrschenden Vorstellungen vom Niveau eines Textilentwerfers hinausging und zudem befruchtend auf die textile Formgebung Einfluss nahm.

In diesen Kreis holte Karl Hanusch auch bereits 1923 – nicht erst 1933, wie von Flämig in seinem Buch behauptet wird - den damals in Fasendorf lebenden Walther Löbering auf Grund der langjährigen Bekanntschaft der beiden Künstler seit dem gemeinsamen Studium bei Carl Bantzer in Dresden und den wiederholten Studienaufenthalten in dem hessischen Malerdorf Wülingshausen. Während die übrigen drei mit der Leitung von Klassen betraut waren, übte Löbering nur eine nebenamtliche Lehrtätigkeit aus. Wahrscheinlich wollte er selbst die vollständige Bindung nicht, um noch genügend Spielraum für das eigene bildnerische Schaffen zu haben.

Sonderstellung

Damit ergab sich für ihn zugleich eine Art Sonderstellung. Während seine Kollegen in den Klassen vom hohen künstlerischen Niveau her auf die Verwendung des Übermittelten im textilen Schaffen hinarbeiteten, stand Löbering mit seinem Porträt- und Aktzeichnen sowie mit der Kunstgeschichte außerhalb unmittelbarer praktischer Nutzanwendung. Doch erhielt diese mit seinem Unterricht eine ungemeine wertmäßige Bereicherung.

Seine in den damaligen Kunstwirren und Richtungskämpfen durchaus als konservativ empfundene Auffassung bewahrte ihn vor dem Zugriff der Nazis bei der „Reinigung des Kunsttempels".

Kein Ärgernis

Wenn er auch mit seiner Thematik nicht vor den braunen Propagandakarren zu spannen war, bedeutete er andererseits kein Ärgernis und konnte im Gegenteil ohne ernsthaften Aufwand weiterhin als eine Art Renommierfigur verwendet werden. Diese zwiespältige Stellung erklärt es auch, warum er bis zum Ende der Kunstschule im Jahre 1944 in seinem Kunstgeschichtsunterricht unbeschadet - weil offensichtlich unbemerkt - wie vor 1933 auch über die verfolgten „entarteten Künstler" sprechen konnte. Auf schmalem Boden und mit äußerst begrenzten Einflussmöglichkeiten blieb er dennoch eine „künstlerische Bastion", deren Spuren bei den überlebenden Schülern nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ohne Wirkung blieben.


Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät 94 (2008), 181–197 Nachrufe für verstorbene Mitglieder

Die Festversammlung zum Leibniztag 2007 gedachte der seit dem letzten Leibniztag verstorbenen Mitglieder der Leibniz-Sozietät:

Prof. Dr. Dr. hc. Friedbert Ficker * 5. 9. 1927 † 10. 1. 200

(Rede zum Tode Friedbert Ficker)

Verehrte Trauergäste, liebe Angehörige und Freunde des Verstorbenen. Wir haben uns zusammengefunden, um uns von Friedbert Ficker – Professor,Doktor, zweifach Doktor ehrenhalber – dem Lebensgefährten, dem Vater, Großvater, Urgroßvater, dem Freund, dem Kunst- und Kulturhistoriker, dem mit tiefem Humanismus erfüllten Gelehrten zu verabschieden und das Sterbliche dem Wirken der Naturkräfte zu übergeben. Sein Tod hat uns, die wir gerade überlegten, wie wir sein Wirken anlässlich seines achtzigsten Geburtstags würdigen werden, in Trauer versetzt und betroffen gemacht. Friedbert Ficker wurde am 5. September 1927 im Vogtland geboren. Er verstarb am 10. Januar dieses Jahres in Jena, also wenige Monate vor Vollendung des achtzigsten Lebensjahres. Zwischen diesen beiden Daten liegt ein erfülltes Leben. Aber dieses Leben war alles andere als einfach und problemlos. Er selbst sprach über seinen Werdegang, es sei ein abenteuerlicher Weg gewesen, der von vielen Hindernissen übersät war. Er hatte das Gymnasium und die Kunsthochschule besucht. Er hatte sich während seines Studiums in Leipzig und Dresden eine vielseitige und qualifizierte Ausbildung erarbeitet.Sein Interesse hatte dabei vor allem der neueren Weltgeschichte, der Kunstgeschichte, der Archäologie und der Ägyptologie gegolten. Da griffen die Konflikte und die Ungerechtigkeiten, die der unselige kalte Krieg gebar, in sein Leben ein. Friedbert Ficker ging nach München. Es war nicht eine inhärente Logik seines bisherigen Lebensweges, die ihm diesen Weg wies; es waren sachfremde und sachblinde Herrschaftsinteressen, die ihn dazu zwangen. Friedbert Ficker ließ sich aber auch auf der anderen Seite nicht durch ebenso sachfremde und sachblinde Dogmen und Interessen vereinnahmen. Er blieb sich selber treu und setzte seinen Bildungsweg mit Energie und Fleiß fort.

Sein Interesse galt der Osteuropaforschung und der ost- und südosteuropäischen Kunstgeschichte, der Kunstgeschichte überhaupt, der Archäologie, der Volkskunde, der Vor- und Frühgeschichte, der Ägyptologie, der Medizingeschichte und der Felsbildforschung. Er war bestrebt, Normalität zu praktizieren, soweit das möglich war unter den damaligen Umständen, die alles andere als normal waren. Er blieb in Verbindung zu seiner sächsisch-vogtländischen Heimat und auch zu seinen Fachkollegen und zu den wissenschaftlichen Institutionen seines Fachgebiets. Auf der Grundlage seiner vielseitigen Ausbildung entwickelte Friedbert Ficker ein wissenschaftlich produktives Leben. An der Kunstakademie München vertrat er über mehr als ein Jahrzehnt die Geschichte der Handzeichnung und der Grafik und die Kunst der Vorzeit und der alten Kulturen. An der Münchener Universität bestritt er die Neuere vergleichende Kunstgeschichte Südosteuropas. Über mehr als ein Vierteljahrhundert betrieb er eine intensive Feldforschung in den verschiedenen Ländern Südosteuropas. Das wurde der eigentliche Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit. Er verstand es, die Sonderentwicklungen und die europäischen und darüber hinausgreifende Zusammenhänge in der schwierigen Kunstgeschichte dieses Gebiets zu erhellen.Seine Forschungen schlugen sich in einer beeindruckenden Fülle von Veröffentlichungen nieder. Allein die Zusammenstellung seiner Veröffentlichungen über die Kunstgeschichte Ost- und Südosteuropas, über die deutsche bildende Kunst der Renaissance und Barockzeit und über Volkskunst, über die Gegenwartskunst, über die Widerspiegelung der Medizingeschichte in der Kunst füllen eine Broschüre. Seine Arbeit und seine Haltung fanden hohe Wertschätzung in der wissenschaftlichen Welt. Ich konzentriere mich auf das Wichtigste. Die Ehrendoktorwürden erwähnte ich bereits. Friedbert Ficker wurde zum Ordentlichen Mitglied der Academia Scientiarum et Artium Europaea in Salzburg gewählt.Er war Mitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz, Mitglied der Kommission für Hochschul- und Wissenschaftsgeschichte der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Auswärtiges Mitglied der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Belgrad. Die Enzyklopädie der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften führt ihn als führenden Bulgarien-Wissenschaftler. Besonders wichtig wurde für Friedbert Ficker die im Jahr 2000 erfolgte Wahl zum Mitglied der Leibniz-Sozietät. Diese Wissenschaftssozietät ist als einzige deutsche Gelehrtengesellschaft mit der 1700 unter dem maßgeblichen Einfluss von Gottfried Wilhelm Leibniz gegründeten Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften über die Jahrhunderte durch die wissenschaftliche Arbeit und durch kontinuierliche Regeneration der Mitgliedschaft verbunden.Sie ist somit die älteste der deutschen Akademien. Die Leibniz-Sozietät, dies ich als staatsferne pluralistische Gelehrtengesellschaft versteht und sich zum Zweck gesetzt hat, in der Tradition von Gottfried Wilhelm Leibniz für die Förderung der Wissenschaften, für den Erkenntnisgewinn durch Interdisziplinarität und für die humane Nutzung der Ergebnisse der Wissenschaften zu wirken, war für Friedbert eine angemessene Wirkungsstätte. Auf dem Leibniz- Tag 2000 bedankte sich Friedbert Ficker als neu zugewähltes Mitglied unserer Sozietät und sagte: „Als Teil meines Dankes hoffe ich deshalb auch,der Leibniz-Sozietät noch länger dienlich sein zu können und ich denke, dass wir in der gemeinsamen Arbeit im Geiste humanistischer Tradition und damit im Sinne von Johannes Irmscher sowie der Toleranz und gegenseitigen Respektierung die Daseinsberechtigung der Leibniz-Sozietät weiter erfolgreich beweisen werden.“ Dies war das Credo, das er sich als Mitglied unserer Sozietät vorgesetzt hatte, und entsprechend wirkte er, als sehr aktives Mitglied.Er brachte niemals auch nur den Schimmer einer Akzeptanz für die anfangs der 90er Jahre seitens der neuen Berliner Obrigkeit betriebenen und mit mehr-fachem Rechtsbruch verbundenen Liquidationspraxis gegen die Gelehrtengesellschaft der Berliner Akademie der Wissenschaften auf. Er verstand die Leibniz-Sozietät auch als Durchkreuzung dieser kulturschädigenden Linie.Und so war ihm auch daran gelegen, die Belange der Leibniz-Sozietät in der Öffentlichkeit und gegen Sachwalter heutiger Zeitgeisttorheiten engagiert und streitbar zu verfechten. Friedbert Ficker übernahm den Vorsitz der Kommission Kunst- und Kulturgeschichte unserer Sozietät und legte dazu eine Fülle wissenschaftlicher Ausarbeitungen und Materialien vor. Seiner Agilität ist zu danken, dass unsere Sozietät mit wichtigen kunst- und kulturgeschichtlichen Lexika versorgt wurde. Noch im November hielt Friedbert Ficker seinen Vortrag über Paläomedizin, in dem er archäologisch fassbare Krankheiten in Ur- und Frühgeschichte abhandelte. Großartig auch der kürzlich von der Leibniz-Sozietät mitgetragene Abend mit dem Vortrag über das Kloster von Jasna Gora und die kulturgeschichtlichen Bezüge Censtochaus. Gestützt auf das Leibniz-Logo, das Gabriele Mucchi, einer der großen Maler des zurück-liegenden Jahrhunderts, vor fast anderthalb Jahrzehnten für die Sozietät schuf und das auf allen Dokumenten und Briefen unserer Sozietät zu finden ist, entwarf Friedbert Ficker die Anstecknadel der Leibniz-Sozietät und die Leibniz-Medaille, die unsere Sozietät für besondere wissenschaftliche Leistungen verleiht, deren Gegenstand vom Hauptarbeitsgebiet der auszuzeichnenden Persönlichkeit abweicht. Hier kamen seine künstlerischen Fähigkeiten zur Geltung. In den Gesprächen mit ihm lernte ich die Feinfühligkeit Friedbert Fickers speziell in künstlerischen Dingen schätzen. Da ich seitens der Sozietät damals mit Mucchi verhandelte und wir viel über Entwürfe diskutierten, weiß ich, welche Anliegen der Künstler mit dem Logo ausdrücken wollte. Und so war es für mich erstaunlich, wie treffsicher Friedbert Ficker die Erwägungen Mucchis, die er ja nicht kannte, an Hand des Logos nachempfunden hat. Hochverehrte Angehörige und Freunde. Man sagt oft, ein Leben habe sich vollendet. Ich glaube zu verstehen, was man damit gewöhnlich meint, und ich akzeptiere es als Meinung. Aber ich bezweifle die Richtigkeit solcher Rede.Ich bezweifle sie vor allem, wenn ich daran denke, wie ich Friedbert Ficker in der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften erlebt habe, was ich von ihm in Vorträgen, in Gesprächen und in Debatten gehört und was ich von ihm gelesen habe. Wieso hat sich denn das Leben, wie er es führte und gestaltete,durch seinen Tod vollendet? War er denn ein existenzielles, geistiges Wrack,bevor der Tod ihm nahte? Ein nutzloses Glied der Gemeinschaft? Dann nämlich könnte man vielleicht sagen, dieses Leben, zwecklos und vergebens wie es war, sei als ein solches nunmehr vollendet. Aber das Leben Friedbert Fickers war doch auf der ganzen Linie das ganze Gegenteil davon, trotz mancher Nackenschläge, auch noch trotz des Alters und trotz Krankheit. Er war, solange er seiner geistigen Kraft mächtig war, eine selbstbestimmte Persönlichkeit mit einer erstaunlich vielseitigen Bildung und Aktivität. Er hatte noch vieles vor, und viel hat er begonnen, und viel hätte er ohne Zweifel vollbracht. Auch in der Leibniz-Sozietät hatte er unentwegt Vorschläge, und er begriff sich selber immer als Akteur oder Mitakteur ihrer Verwirklichung. Wieso soll all das durch seinen Tod Vollendung erfahren haben? Und welche der vielfältigen Aktivitäten sollte dadurch vollendet worden sein? Sie sind ja gerade nicht vollendet. Das humanistische Forschen hat durch Friedbert Fickers Tod einen schweren Verlust erlitten. Aber wenn ich es recht bedenke, liegt mir die Haltung Johann Gottlieb Fichtes, des großen Idealisten und Freundes der französischen Revolution, sehr nahe. Er nämlich sah in dem Umstand, dass jeder eines Tages aufhören und Unvollendetes hinterlassen muss, wie viele vor ihm, etwas Erhabenes: „ich werde, wenn ich jene erhabene Aufgabe übernehme, nie vollendet haben; ich kann also, so gewiss die Übernehmung derselben meine Bestimmung ist, nie aufhören zu wirken und mit-hin nie aufhören zu sein.“ Der Tod könne sein Werk nicht abbrechen. „Ich hebe mein Haupt kühn empor zu dem drohenden Felsengebirge, und zu dem tobenden Wassersturz, und zu den krachenden, in einem Feuermeer schwimmenden Wolken, und sage: ich bin ewig, und ich trotze eurer Macht!“

Hier ist manches idealistisch-schwärmerisch verklärt. Aber den Tod nicht nur als das unvermeidliche Ende eines individuellen Lebens zu betrauern,sondern dabei auch das Wachsen der kulturellen Wesenskräfte der Menschheit und die Mitwirkung des einzelnen an diesem Geschehen in den Blick zunehmen – das dürfte angemessen sein. Und Friedbert Ficker hat mitgewirkt. Er hat kräftige Spuren hinterlassen, die andere aufnehmen werden. Was er geleistet hat, wird eingehen in die weitere wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung. Und so dürfen wir die Endgültigkeit unseres Abschieds von Friedbert Ficker doch relativieren. Nicht einfach deshalb, weil er wahrscheinlich keinem von uns aus der persönlichen Erinnerung und aus dem Gedenken gehen wird.Vor allem aber deshalb, weil er mit seinem Fleiß, seiner Unbeirrbarkeit und seiner praktizierten Mitmenschlichkeit Wege mitgebaut hat, auf denen wir weitergehen können und sollen, um wie er unser Scherflein beizutragen zur Bereicherung der kulturellen Kräfte der Menschheit, zur Beförderung der Humanität, wie sich Johann Gottfried Herder ausdrückte. Verehrter Friedbert Ficker, ich bedanke mich, und ich bin mir sicher, daß ich darin den Dank vieler einschließen darf. (Wolfgang Eichhorn)

 

Prof. Dr. Friedbert Ficker *05.09.1927 – Kunstgeschichte

(als Mitglied gewählt am 18. Mai 2000)

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

wenn ich hier einen kurzen Rückblick geben soll, so kann ich eigentlich nur von einem abenteuerlichen Weg sprechen, der von vielen Hindernissen übersät war. Dank eigener Entschlossenheit und dank guter Lehrer, wie Ludwig Renn in neuerer Weltgeschichte, dem Grünewald-Forscher Walther Karl Zülch, Heinz Ladendorf und Johannes Jahn in Kunstgeschichte, Herbert Koch in Archäologie und Siegfried Morenz in Ägyptologie war der eingeschlagene Weg steuerbar, erlebte aber mit dem erzwungenen Weggang nach München einen tiefen Einschnitt.

Trotz allem, der Weg führte nach vorn mit dem Studium an der Hochschule für Politische Wissenschaften - ich bin kein Mensch mit Rückwärtsgang. Dort hat mich der bedeutende Osteuropahistoriker Hans Koch geprägt. Hinzu kamen kunstgeschichtliche Studien bei Hans Sedlmayr, die Archäologie bei Ernst Buschor, die Volkskunde bei Leopold Kretzenbacher, die Vor- und Frühgeschichte bei Joachim Werner, die Ägyptologie bei Hans Wolfgang Müller und die Medizingeschichte bei Werner Leibbrandt.

Da zum .Abenteurertum auch ein wenig Glück gehört, führte mich Herbert Kühn in die Felsbildforschung ein, wie mir Grundlagen und Anregungen zur ost- und südosteuropäischen Kunstgeschichte von Hermann Weidhaas vermittelt wurden und Herbert Post den Zugang zur akademischen Lehrtätigkeit öffnete.

Dort habe ich an der Kunstakademie in München 12 Jahre die "Geschichte der Handzeichnung und der Grafik" sowie die "Kunst der Vorzeit und der alten Kulturen" und an der Münchner Universität die "Neuere vergleichende Kunstgeschichte Südosteuropas" 6 Jahre vertreten. Die Grundlagen und Voraussetzungen für die letztere Lehrtätigkeit lieferte die seit 25 Jahren bis heute betriebene intensive Feldforschung in den verschiedenen Ländern Südosteuropas, aus der auch eine große Zahl von Veröffentlichungen hervorgegangen ist.

Ein wichtiges Anliegen war mir immer neben der reinen Stoffvermittlung die Vertiefung der vergleichenden Methode - und zwar nicht nur innerhalb einer Fachrichtung, sondern interdisziplinär.

Da fortgeschrittenes Alter mit der wünschenswerten physischen und geistigen Regsamkeit bekanntlich nicht auf einem juristisch einklagbaren Rechtsanspruch beruhen, freue ich mich jeden Tag darüber, wo mir diese Möglichkeit noch gegeben ist und bin dankbar dafür. Als Teil meines Dankes hoffe ich deshalb auch, der Leibniz-Sozietät noch länger dienlich sein zu können und ich denke, daß wir in der gemeinsamen Arbeit im Geiste humanistischer Tradition und damit im Sinne von Johannes Irmscher sowie der Toleranz und gegenseitigen Respektierung die Daseinsberechtigung der Leibniz-Sozietät weiter erfolgreich beweisen werden.

Kunstsammlungen Zwickau: Durch den Erwerb einer Privatsammlung 1996 (Sammlung Friedbert Ficker) wurde der grafische Bestand mit 10.000 Blättern zur Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts ergänzt.


 

Bildnachweis: Erich Thiel / Gehannesfünkele / Vogtl. Heimatverlag Neupert Plauen / 2003

 

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